
Es geht aufwärts - mit den Forderungen der Bundesbank an nationale Zentralbanken. Werden die zahlungsunfähig, haftet die EZB - der deutsche Anteil: 27 Prozent.
Es liegt wohl an dem komplexen System hinter diesen unübersehbaren Forderungen, dass sie noch keine Schlagzeilen bekommen. Dabei hätten sie es verdient. Denn das Risiko wächst von Monat zu Monat, ausgelöst von den üblichen Verdächtigen: Portugal, Griechenland, Irland und Spanien. Wie nicht anders zu erwarten war, stößt inzwischen auch die Italienische Zentralbank hinzu, die bis Mai noch selbst Forderungen im Euro-Verbund verbucht hat, sich aber seitdem immer mehr Notenbankgeld besorgen musste – bis September um 100 Milliarden Euro.
Was ist da los? Nun: Wenn zum Beispiel eine italienische Firma in Deutschland einkauft, finanziert sie den Kauf über ihre Hausbank. Leider sind die Banken in den Krisenstaaten selbst knapp bei Kasse. Anleger im eigenen Land trauen ihnen nicht – sie bringen ihr Geld lieber ins Ausland, am liebsten nach Deutschland. Und die Deutschen – Banken oder Investoren oder Privatleute – halten sich in diesen Zeiten auch extrem zurück mit Geldanlagen in Griechenland oder Spanien & Co. Deshalb (und weil die Zinsen so gnadenlos niedrig sind) wenden sich die dortigen Banken an ihre Zentralbank.
Die Nationalbank, sagen wir die Banca d’Italia, stellt zu guten Konditionen Geld bereit (etwa gegen die Hinterlegung von nach wie vor zu 100 Prozent zu verwertenden Staatsanleihen), sie „schöpft Geld“, virtuell wenigstens. Am anderen Ende bekommt der deutsche Lieferant echtes Geld, ausbezahlt von seiner Hausbank, die es von der Bundesbank bekommen hat. Nur: Die Bundesbank kriegt kein Geld. Fast. Sie bekommt nur eine Forderung gegen die EZB (und die wiederum eine gegen die jeweilige Nationalbank in Rom oder Athen).
Normalerweise werden solche Ungleichgewichte im grenzüberschreitenden Handel ausgeglichen, indem Geld auch in die Gegenrichtung fließt: Deutsche Unternehmen investieren und beteiligen sich im Ausland, Anleger statten die fremden Banken mit Geld aus, indem sie deren Wertpapiere kaufen. Bis zur Lehman-Pleite lagen die Forderungen der Bundesbank gegen die EZB (sie heißen im Fach-Chinesisch „Target2-Salden“) bei allenfalls 15 Milliarden Euro. Aber heute bleiben in Deutschland und Frankreich und Holland alle auf ihrem Geld hocken. Schlimmer noch: Die wohlhabenden Griechen und Italiener schaffen ihr Erspartes nach Deutschland – und verschärfen so die Geldnot bei den Banken daheim.
Damit das Alltagsgeschäft der Wirtschaft trotzdem funktioniert, versorgen die Nationalbanken und die EZB die Geldmärkte und gleichen die Schieflagen in den Kapitalbilanzen aus. Und häufen Forderungen an.
Die Forderungen der Deutschen Bundesbank an die EZB (bzw. nationale Zentralbanken) belaufen sich im Oktober auf 465,5 Milliarden Euro, fast eine halbe Billion. Das ist ein riesiger Aktivposten in der Bundesbankbilanz, knapp 179 Milliarden Euro mehr als im Oktober 2010.
Die Bundesbank bürgt also zumindest indirekt für Kredite an die Krisenländer (und hat damit auch Anteil am anhaltenden Exporterfolg deutscher Firmen). Anders gesagt: Statt Banken und Sparkassen in Deutschland mit Krediten zu versorgen, alimentiert sie Banken in schwächelnden Partnerländern im Vertrauen auf deren Notenbanken. Daraus resultiert zum Glück keine Geldknappheit in Deutschland – dank ihrer eigenen Exporterfolge und der Kapitalflucht aus Krisenländern können sich die Deutschen noch günstig mit Geld versorgen.
Dass in den negativen Salden ein Risiko für die deutschen Steuerzahler stecken könnte, wird von offizieller Stelle verneint. Immerhin sind das Forderungen an die EZB! Geld, das Zentralbanken bereitgestellt haben. Aber was wäre, wenn die Griechen aus dem Euro austreten? Wenn Spaniens Nationalbank zahlungsunfähig wird? Nun: Dann muss die EZB einspringen – und Deutschland ebenfalls. Wir haften mit 27 Prozent.
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