
Hoch hinaus müssen die Monteure, die neue Höchstspannungsleitungen verlegen - wie hier Anfang des Jahres in Richtung Weißenthurm. Demnächst soll gebaggert werden: Erdkabel sind angesagt, weil: Aus den Augen, aus dem Sinn.
Stromleitungen zu bauen, das ist ansonsten in Deutschland nicht ganz einfach. Die dazu nötigen Verfahren ziehen sich lange hin – und in der Regel regt sich heftiger Widerstand. Die einen befürchten den Verfall der Grundstückspreise, andere weisen auf Eingriffe in die Natur hin, wieder andere haben Angst vor den elektrischen Feldern – so richtig willkommen sind die Trassen nirgends. Der Beweis: Schon 2005 hat die Deutsche Energie-Agentur (Dena) ermittelt, wie die ganze Windenergie ins Netz zu schaffen ist (20 % Anteil Erneuerbare bis 2015). Das Ergebnis: 850 Kilometer neue Höchstspannungsleitungen, Ausbau auf 400 km. Kosten: 1,1 Milliarden. So weit der schöne Plan. Tatsächlich neu gebaut bis 2010: 90 km. Man sieht: ein zähes Geschäft.
Deshalb dauert es nicht lange, bis man auf die Idee kommt, die Höchstspannungsleitungen besser nicht an kirchturmhohe Masten zu hängen, sondern in der Erde zu verbuddeln. Das ist zwar mehrfach teurer, wie jeder nachvollziehen kann, der den alten Begriff „Überlandleitung“ kaufmännisch in „Untergrundleitung“ uminterpretiert. Aber mit den Trassen verschwinden auch Ärger und Widerstand. Denkt man. Deshalb hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie schon vor dem GAU in Japan das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) – das gibt es wirklich – ändern lassen.
Und schon bekommen Erdkabel bei vier Neubauten Vorrang – im Hohen Norden, an der niederländischen Grenze, in Nordhessen und Thüringen. Da müssen die Bauherren auf Verlangen der Genehmigungsbehörde (!) ihre Trassen begraben (und ihre Kalkulationen). Die Mehrkosten werden gleichmäßig auf alle verteilt (und dann natürlich auf die Stromkunden umgelegt).
Die Stromversorger rechnen damit, dass Erdkabel viermal so viel kosten wie Freileitungen. Die Trasse ist 10 bis 15 Meter breit, sie darf weder bebaut noch mit tief wurzelnden Pflanzen bepflanzt werden. Der Boden ist wahrscheinlich eh zu trocken, weil das Kabelbett viel Wasser ableitet und die Kabel bis zu 70 Grad heiß werden. Ob das ungeteilten Beifall findet?

Aus diesem Fundement wächst ein 60 Meter hoher Mast - quer durch den Ahrkreis nach Weißenturm führt eine neue Höchstspannungsleitung.
Damit sind zwar die Neubauten in RLP aus dem aktuellen EnLAG abgearbeitet. Aber genügen wird das nicht, um all den Strom aus Nord- und Ostsee-Windparks gen Süden zu transportieren, den die erneuerbare Zukunft benötigt. Schon gibt es weitere Pläne, die Trassen ins Land und darüber hinweg führen – etwa quer durch den Westerwald nach Koblenz.
Pläne mit Verfallsdatum. Denn wie kräftig das Netz ausgebaut werden muss, ist unklar. Das hängt davon ab, mit welchem Anteil der Erneuerbaren zu rechnen ist. Die Bundesregierung möchte bis 2020 gut 35 Prozent erreichen; derzeit liegt der Anteil bei knapp 17 Prozent. Dazu, so kalkuliert die Dena, sind sagenhafte 3600 Kilometer zusätzliche Höchstspannungsleitungen nötig – Kostenpunkt: knapp zehn Milliarden Euro.
War es das? Halt! Halt! rufen die Versorgungsunternehmen. Denn die müssen den ganzen Strom – zum Beispiel von den vielen neuen Photovoltaik-Anlagen – über ihr Verteilnetz einsammeln und abtransportieren (also gegen den Strom – im Sinne des Wortes). Dazu sind nicht eben nur im oberen Bereich, sondern auch auf der so genannten „letzten Meile“ Investitionen erforderlich, verkündet der Lobby-Verband der Energie- und Wasserwirtschaft, BDEW.
Und nicht zu knapp. Wenn das Energiekonzept der Bundesregierung wahr wird, sind 2020 in Deutschland Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von 33,3 Gigawatt im Einsatz. Dann müssen die Verteilnetze mit einem Aufwand von bis zu 13 Milliarden Euro aufgerüstet werden – auf einer Länge von sage und schreibe 195.000 Kilometer – das entspricht gut dem halben Weg zum Mond. Wenn allerdings das Bundesumweltministerium Recht hat (das sich wohl dem Energiekonzept seiner Kanzlerin in diesem Punkt nicht anschließt), sind 2020 im Land Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von 51,8 Gigawatt installiert. Dann brauchen wir 27 Milliarden Euro und ausgebaute Strecken bis ganz zum Mond: 380.000 Kilometer.
Damit das alles passiert, fordern die Netzbetreiber schon mal anständige Renditen ein („marktadäquat“) – die Investitionen sollen sich ja lohnen (die Großen denken da nicht anders als wir Sparbuchbesitzer). Und da ist der Bund gefragt: Denn die Kosten dürfen nur nach Genehmigung der Bundesnetzagentur in die Preise einfließen. Und die will verhindern, dass – passend zur Länge – Mondpreise verlangt werden.
Fest steht: Wenn keine neuen Leitungen gebaut werden, weil sie an Protesten scheitern oder an fehlenden Kapitalgebern, findet die energetische Revolution nicht statt. In einigen Teilen Deutschlands wird es Stromausfälle geben, weil die Netze an lauen, aber windigen Feiertagen mangels Abnehmern durch Wind- und Sonnenstrom überlastet werden, in anderen Teilen wird es an windstillen, regendunklen Werktagen einen Mangel geben. Was den Wählern auch nicht passt. Also wird die Bundesregierung vor den dann folgenden wichtigen Wahlen den Vierfach-Salto vollziehen, den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernenergie. Ein politischer Super-GAU.
Ein Kommentar zu Statt Kernkraft: Leitungen bis zum Mond