
Ein Erdbeben, eine Flutwelle - und die Ordnung einer führenden Industrienation ist auf den Kopf gestellt. Das Vertrauen in die Sicherheit von Leib und Leben ist brüchig geworden. Vorerst.
Menschliches Ermessen ist manchmal ein zu kurzer Maßstab. Solche Erdbeben, solche Fluten übersteigen Forschungsgeist und Fantasie. Zerrüttet und weggespült ist heute der Glaube, auch den schlimmsten Fall beherrschen zu können. Kein Strom mehr im Atomkraftwerk. Kernschmelze. Tausende auf der Flucht vor der radioaktiven Wolke.
Die Welt ist geschockt. Aber sie lernt nicht. Für eine Weile herrschen Aufregung und Aktionismus. Die Bundesregierung stellt pflichtgemäß die deutschen Kernkraftwerke auf den Prüfstand – aber nicht den Beschluss, deren Laufzeiten zu verlängern. Und der Umweltminister weist auf die in Japan vorherrschende Windrichtung hin. In einigen Wochen ist der Name Fukushima vergessen, taucht im Jahresrückblick noch einmal auf und dann erst wieder, wenn neu errichtete Reaktorblöcke eingeweiht werden. Garantiert erdbebensicher.
Das Restrisiko, das uns in diesen Tagen seine hässliche Fratze gezeigt hat, ist dann wieder verborgen – so haben wir es am liebsten. Restrisiko gehört zu einem Leben im Überfluss, aber wir wollen es nicht sehen. „Aus den Augen, aus dem Sinn“ steckt es unter den Stahlbetonkuppeln der Kernkraftwerke, hinter den fensterlosen Fassaden der Massentierhaltung, in den unterirdischen Labors der Genforscher, in der Meerestiefe unter den Bohrinseln und in den bröckelnden Diktaturen ölreicher Wüstenstaaten. Bis zur nächsten Katastrophe.
10 Kommentare zu Japan: Das Restrisiko zeigt seine Fratze