
Hoffnungsträger und Irrweg: Die Umwandlung von Sonnenenergie in Strom treibt die Preise, spielt aber im Energiemix nur eine kleine Rolle. Außer Spesen? Ein Energiekonzept für die nächsten Jahrzehnte muss auch darauf Antworten finden.
Seien wir realistisch: Ohne Kernenergie kommen wir heute nicht klar und in der nahen Zukunft auch nicht. Was diese Kraftwerke leisten, ist nicht von heute auf morgen zu ersetzen durch Wind, Wasser und Sonne. Eher (zumindest vorübergehend) durch Kohle und Gas. Aber die hat auch keiner lieb, und der Finanzminister sät zusätzliche Unsicherheit durch Spekulationen über eine Sondersteuer auf Kohlestrom (was ruckzuck wieder kassiert und ins Sommerloch geschmissen wurde).
Die Frage kann nicht sein, OB Atomstrom eine Brücke in bessere (= ökologisch korrekte) Zeiten ist, sondern wie lang diese Brücke sein muss. Und was am anderen Ende auf uns wartet. Beides gehört in ein Energiekonzept, das weit über das heiße Thema Laufzeiten hinaus gehen muss und nicht nur deutsche, sondern auch europäische Interessen berücksichtigt. Aber das ist noch nicht erkennbar (obwohl für den Spätsommer zugesagt).
Die Basis für ein solches Konzept lässt sich heute leichter legen als vor einigen Jahren. Manchmal lösen sich Probleme durch langes Liegen. Und Erkenntnisse, auch wenn sie auf der Hand liegen, brauchen Zeit zu reifen. Erkenntnisse wie diese: Wir müssen weg von fossilen Energieträgern, weil sie knapp und knapper werden und unser Klima kaputt machen – auch wenn außer Versicherungen kaum ein Wissenschaftler die aktuellen Brände, Dürren und Überschwemmungen mit dem Klimawandel in Verbindung bringt. Wir müssen los kommen von unsicheren Lieferanten – auch von den Russen, deren Zuverlässigkeit und Neutralität zweifelhaft bleiben. Und wir müssen über Ländergrenzen hinweg planen: Kraftwerke, Fördermaßnahmen und Netze.

Hier lässt sich Strom ernten. Aber wie kommt er nach Baden-Württemberg? Und was treibt Mercedes, wenn Flaute herrscht?
Das alles muss sauber in ein für 20, 30 Jahre gültiges Konzept eingebaut werden. Damit verbunden sind kluge Förderprogramme, die flexibler nur einen Anschub finanzieren und weit weniger lobby-abhängig sind als der Solar-Wahnsinn, der uns alle einen Haufen Geld kostet und nur kleinsten Nutzen bringt (außer den Solaranlagenbetreibern und –herstellern von Bayern bis China).
Mir wäre es ohnehin lieber, dass sich der Fokus von der Förderung auf die Forschung bewegt. Mal ehrlich: Es kann doch nicht sein, dass 150 Meter hohe Windrad-Spargel-Felder, Sonnenzellen auf unseren Dächern, Mais im Tank und zentnerweise Batterien im Kofferraum die klügsten Antworten der Menschheit auf ihr größtes Problem sind.
Das wäre doch eine richtig gute Gelegenheit, die Milliardengewinne der Stromriesen zu investieren, die aus der längeren Laufzeit resultieren. Jedes zusätzliche Jahr ist nach Expertenmeinung fünf bis sechs Milliarden Euro wert. Der Finanzminister wollte davon 2,3 Milliarden abschöpfen. Wollte. Jetzt scheint mal wieder die ebenso brutal wie perfekt arbeitende Stromer-Lobby zu dominieren, die eine Einmalzahlung bevorzugt: 30 Milliarden in einen Fonds. Und dann in Ruhe gelassen werden. Grandios. Bleiben nur noch eher unwesentliche Fragen wie die nach der Endlagerung des strahlenden Mülls, um deren Beantwortung sich schon Bundesregierungs-Generationen drücken. Oder die kleinliche Frage, wer die Atommüll-Deponie bezahlt.
Aber das sind ja nur kleinliche Mäkeleien. Hauptsache, die Laufzeit wird verlängert, Herr Röttgen, Herr Brüderle und Frau Merkel kommen ohne Gesichtsverlust aus den Verhandlungen, alle können strahlen, und es sieht trotzdem nicht nach Mauschelei aus. Ein Hoch auf die Kesselflicker.
6 Kommentare zu Längere Laufzeiten: Am Ende strahlen alle