
Es brennt lichterloh. Noch ist uns die Katastrophe in Russland gegenwärtig. Aber bald schon gehört sie zu den Akten, zusammen mit Deepwater Horizon und der Finanzkrise. Wir sind halt eher Verdränger als Veränderer.
Schon bald wird es Bilder geben von frisch gestrichenen Stränden, planschenden Badenden mit BPadehauben und fröhlichen Fischern, die mit vollen Netzen in die Häfen von Louisiana einlaufen. So muss es sein. Alle wollen doch nur eins: vergessen, genießen und (nach der Überweisung der Entschädigungen) zum regulären Leben/Broterwerb/Geschäft zurück kehren.
Auch BP. Das hat ja genug gekostet, das Loch im Golf. Die Aktionäre (auch die vielen Rentner, deren Geld in Fonds angelegt ist) wollen, dass es wieder aufwärts geht. Und die Briten möchten verhindern, dass ein amerikanischer (oder noch gierigerer chinesischer) Konkurrent sich das Staatsheiligtum unter den Nagel reißt. Deshalb wird weiter gebohrt. Tiefer.
Seien wir ehrlich: Das ist doch auch der Job von BP. Bohren, fördern, aufbereiten, verteilen und an die Zapfsäulen bringen zu Preisen, die gerade so zu bezahlen sind und dennoch die Gewinne (und Steuereinnahmen) sprudeln lassen. Dabei sind die jeweiligen Vorschriften einzuhalten. Mehr aber nicht.
Ein schlechtes Gewissen haben, das gehört nicht zum Job eines Konzern-Chefs. Alles legal. Alles egal. Außer dem Ergebnis. Und das ist richtig. Keine Ironie: Wo kämen wir denn hin, wenn in einer Firma wie BP Angsthasen mit Tiefenangst das Sagen hätten, oder Ultra-Grüne, denen kein Verschluss stark, keine Pipeline dick genug ist. Das wäre das Ende von BP. Exxon würde sich die Tanks halten vor Lachen.
Für die Sicherheit und den Schutz der Umwelt ist BP nicht zuständig. Den Job haben andere übernommen. Aber die spielen die Katastrophenhelfer. Und die Ankläger. Dabei haben die Amerikaner das Tiefbohren unter laxen Auflagen erlaubt – und sogar die wurden kaum kontrolliert.
Irgendwie erinnert mich das an die Finanzkrise. Zuerst spannt die Politik die Banken ein, damit billiges Geld unters Volk kommt (bzw. die Erdölkonzerne für billigen Sprit). Dazu werden die Auflagen gelockert – weil sicher und billig nicht immer harmonieren, weder im Bank- noch im Bohr-Business. Die Unternehmen werden dazu getrieben, am Rande des Machbaren zu operieren – und oft am Rande des Wahnsinns. Und dann passiert die Katastrophe.
Mit Milliarden Euro und Dollar und schwerem Schlamm werden die Löcher geschlossen, auch die Löcher in den Kassen. An der Oberfläche glitzert es schon wieder, und der Mensch ist vergesslich. War da was?
Was auf dem Höhepunkt der Katastrophe noch heilig versprochen wurde, ist jetzt vergessen. Scharfe Regeln für die Finanzmärkte? Tiefbohrungen verbieten und den Umstieg in eine Energiewirtschaft ohne fossile Brennstoffe erzwingen?
Im Gegenteil. Mitten in einem Rekordsommer voller grotesker Wetterkapriolen, mit der Katastrophe im Golf von Mexiko vor Augen, lässt Barack Obama sein Klima-Gesetzlein scheitern – dieses winzige Mitbringsel, das er dem Gipfel in Kopenhagen offeriert hat.
Manchmal hat man das Gefühl, dass die einzig erfolgreiche Weltreligion vom Heiligen Florian gestiftet worden ist. Diese Erkenntnis vertreibt meine Wehmut. Sankt Florian ist ein verlässlicher Lieferant von blog-fähigen Ereignissen. Ich werde ihm eine Kerze anzünden.
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