
Kaum scheint der Aufschwung stark genug und von Dauer zu sein, werden die Millionen verteilt: Mal am Stück an Banken-Bosse, mal in 5-Euro-Portionen an Hartz-Empfänger.
Die Siemens-Vereinbarung weist den richtigen Weg. Der Konzern macht wieder Gewinne, die Auftragsbücher sind voll, seit einem Vierteljahr ist Kurzarbeit auch bei Siemens Geschichte. Der Aufschwung markiert aber nicht nur wirtschaftlich eine Wende, sondern auch in der Personalplanung. Ein Beschäftigungspakt dient nicht länger dazu, über den Bedarf hinaus einzustellen, sondern Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden. Siemens hat erkannt, dass dies – gerade unter dem frischen Eindruck der Krise und besonders in Deutschland – mit diesem Versprechen noch besser funktioniert als mit Boni: Wir werden Euch nicht kündigen!
Über Lohnerhöhungen muss man da zunächst nicht reden. Die unbefristete Arbeitsplatzgarantie wirkt auch so. Und wenn der Aufschwung anhält, greifen sowieso die Regeln der Marktwirtschaft auch auf dem Markt der Arbeitskräfte: Die „Ware“ Facharbeiter wird knapp, also steigt der Preis. Wetten?
Das funktioniert aber immer weniger nach den Mechanismen, die wir so gut kennen: Gewerkschaft rasselt mit dem Säbel, legt überhöhte Forderungen auf den Tisch, Unternehmerverbände zeigen sich entrüstet, es wird über Wochen in teuren Hotels gezockt – bis man sich auf einen Mittelweg einigt, den alle Seiten als klaren Sieg verkaufen. Für so etwas sind die Branchen inzwischen nicht mehr homogen genug. Auch innerhalb der Wirtschaftszweige sind Freud und Leid viel zu unterschiedlich verteilt, als dass Löhne und Gehälter per Flächentarif sinnvoll fixiert werden können. Natürlich müssen die Arbeitnehmer nach Jahren des Verzichts auch am Wachstum ordentlich beteiligt werden – aber das geht nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip. In den vergangenen Jahren haben die Gewerkschaften (allen voran die IG Metall) mit viel Augenmaß dazu beigetragen, Deutschland gut durch die Krise zu manövrieren. Jetzt ist ihre Flexibilität erneut gefragt, um das Tarifsystem zukunftsfähig zu machen.
Flexibilität ist auch nötig auf der dunklen Seite des Aufschwungs. Fünf Euro im Monat – um diesen Betrag wird der Hartz-Regelsatz angehoben. Auf 364 Euro für einen Erwachsenen. Plus Wohn- und Heizkosten. Fünf Euro. Das klingt bitter wenig, und doch lohnt es sich, genau darüber nachzudenken, wer das Geld bekommt, und was der Staat als Gegenleistung verlangt. Fünf Euro mehr, das erhöht die Staatsausgaben um 500 Millionen Euro im Jahr – in etwa jenen Betrag, den die Arbeitsministerin für ihr Kinder-Bildungsangebot reserviert hat. Man könnte beides verknüpfen, Bildung und Aufstockung: Wer sein Kind unregelmäßig in die Schule schickt, bekommt weniger staatliche Leistungen. Dadurch ließe sich zumindest ein Teil des bislang ungeplanten Mehrbetrags sparen, ohne dass gleich wieder von „sozialer Kälte“ geredet wird. Und das könnte den Ärger verringern, der im kommenden Jahr ansteht, sobald die Rentner sich ausrechnen, was eine Erhöhung von unter einem Prozent in Euro und Cent ausmacht. In den meisten Fällen landen sie dann auch bei deutlich unter zehn Euro. Und werden sich an die Hartz-Aufstockung erinnern.

Braucht neue Milliarden von den Steuerzahlern, schüttet aber 25 Millionen an Boni aus: Pleitebank HRE.
Bei den Begründungen dafür haben die Banker beim (alten) DGB Anleihen gezeichnet. Die armen Manager müssen doch glatt hin und wieder bis in den Abend hinein tätig sein. Und manchmal am Wochenende. Klar. Das ist für 500.000 Euro nicht zu leisten. Außerdem sind gute Leute rar. Facharbeitermangel in Bankentürmen. Da wundert mich nur, dass sich die Vorstände nicht reihenweise degradieren lassen zu Abteilungsleitern, um dann ihr Gehalt zu verdoppeln. Oder sind die Spitzenkräfte am Ende weniger gut qualifiziert als ihre zweite Reihe?
Egal. So oder so haben es die Banken mal wieder perfekt geschafft, alle Vorurteile zu bestätigen. Fassungslos schauen wir zu, wie jene, die Schrottpapiere ausgedacht haben, jetzt dabei sind, für die Müllabfuhr Millionen zu kassieren. Wenigstens so lang wir Steuerzahler diesen Herren noch den Arbeitsplatz sichern, sollten sie schweigend mit armseligen Vorstandsgehältern von 500.000 Euro zufrieden sein. Wer das nicht ist, darf sich gerne einen anderen Job suchen und im homogenen Zirkel der Raffkes den Platz frei machen für den Nachwuchs – mal sehen, ob sich nicht doch am Ende neben Können und Gier auch die Moral etablieren lässt.
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