
Große Probleme, stattlicher Rahmen, kleine Ergebnisse: Der G20-Gipfel, auf dem Höhepunkt der Krise fast schon auf dem Weg zur Weltregierung, nimmt sich wichtig - und vertagt sich.
Wer glaubt noch, dass die Welt den entfesselten Finanzmärkten einheitliche Regeln auferlegt? Dabei haben sich die Staats- und Regierungschefs der G20 genau das vorgenommen, als sie sich in Pittsburgh trafen. Konkreter werden sie auch in Toronto nicht, neun Monate später. Eine schwere Geburt, weil die akute Bedrohung kleiner geworden ist, neu florierende Banken ihren alten Einfluss geltend machen, große Finanzplätze um Steuern und Jobs bangen und etliche Staaten darauf hinweisen können, dass „ihre“ Banken nicht gezockt haben und nicht in Not geraten sind.
Die Finanzwelt muss globale Gesetze nicht mehr fürchten. Aber das darf keine Ausrede sein, die Hände in den Schoß zu legen. Auch dieser Markt kann regional geregelt werden. Ausgerechnet die Amerikaner machen es vor und präsentieren zum Gipfelauftakt ein strenges nationales Finanzmarktgesetz und lassen sich in Toronto sogar für Bankenabgaben (aber welche?) und Transaktionssteuer erwärmen. Das hat eine ganz andere Qualität als die Posse mit den Leerverkäufen in Deutschland – ein billiges politisches Signal ohne Marktrelevanz. Deutschland muss nach dem unverbindlichen Gipfel in der EU verbindlich scharfe Regeln durchsetzen. Auch im Alleingang. Ohne G20. Immerhin sind sich die Europäer in dieser Frage angeblich ja schon einig (auch wenn wir unterstellen dürfen, dass die Briten nur genickt haben, weil sie vom Scheitern der G20 überzeugt waren).
Dass für die Finanzmärkte zwingend globale Regeln her müssen, ist doch nur ein Argument fürs Nichtstun. Ich bin sicher, dass die Bewahrer und Verteiler des flüchtigen Geldes gerne krisenfeste Adressen berücksichtigen, wenn sie an ihren Überweisungs-Computern die Milliarden durch die Welt klicken. Auch regional unterschiedliche Regeln verbessern die Transparenz der Märkte, zur klaren Trennung in solide, riskante und fast schon betrügerische Anlagen. Damit sich jeder im Klaren ist, was mit seinem Geld passiert, wenn er es nicht in Frankfurt oder London, sondern einem Briefkasten auf einer Südseeinsel zu Markte trägt.
Regionale Besonderheiten – auf die besinnen wir uns nach dem Gipfel auch in der Frage, wie lange Staaten noch Geld ausgeben müssen, das sie nicht haben, um die Konjunktur zu stützen. Weil sich dieses Problem nicht vertagen lässt, wurde ein typischer G20-Kompromiss gefunden: Mauern und stürmen zugleich.
Die Welt bewegt sich weiter zwischen den Extremen, zwischen US-Konjunkturprogrammen und deutschem Sozialstaat, zwischen amerikanischen Kreditkarten und deutschen Sparschweinen. Beide führen in die nächste Krise – in den USA entsteht die nächste Blase, und die Deutschen hängen ihre Kunden munter weiter an den Kredit-Tropf. Wir stehen nächstes Jahr am Pranger als die größten Überschuss-Produzenten, während die Chinesen dank stärkerer Binnennachfrage und Abwertung ihrer Währung dabei sind, das Ungleichgewicht zu verringern.
Gleichzeitig Geld ausgeben und sparen – mauern und stürmen? Das geht so: Zu allererst darf sich Wirtschaftspolitik in Deutschland nicht nur auf Exporte!, Exporte!, Exporte! fokussieren. Mehr Mut und Fantasie bitte. Und Durchhaltevermögen, denn der Staat muss kräftig sparen, Wohltaten längst vergangener Wahlkämpfe kappen. Und mehr Geld da lassen, wo es erwirtschaftet wird: In den Unternehmen und in den Geldbörsen der Arbeiter und Angestellten. Die momentan steigenden Steuereinnahmen bieten einen unerwarteten Spielraum, um die Abgabelasten zu senken (und nicht, um das Sparpaketchen, kaum geschnürt, schon wieder zu entschärfen). Die Binnennachfrage steigt nur dann, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sie in den nächsten Monaten mehr Geld ausgeben können. Beides muss saniert werden: Staatsfinanzen und Stimmung im Land.
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