
Europa am Boden - kein Kondensstreifen am Himmel. Dort herrscht eine Aschewolke als höhere Gewalt.
Ein Frühlingstag wie aus dem Bilderbuch. Kein Wölkchen am Himmel. Überhaupt kein Wölkchen. Kein Kondensstreifen. Die Flugzeuge, die ansonsten das Himmelsblau zerteilen, stehen nutzlos am Boden. Dieses selbstverständliche, alltägliche Transportmittel der Billigflug-Gesellschaft ist komplett ausgeschaltet. Nutzlos geworden über Nacht. Die Marmorsäle der Airports gleichen Notunterkünften – so klein ist der Abstand zwischen dem Anspruch höchsten Komforts und der Konzentration auf das Nötigste: Decken, Tee und Feldbetten.
Europa entdeckt die Langsamkeit neu: Busse und Bahnen oder sogar den Genuss geschenkter Zeit – Zwangsurlaub im Businesshotel. Und dabei werden keine Unterschiede gemacht. Der Hochadel kommt nicht zum Königinnengeburtstag nach Kopenhagen, die Kanzlerin muss ungeplant zwischenlanden, die Billigurlauber sind nun doch an den eigenen Balkon gebunden. Und wir testen gemeinsam, wie lange wir überleben können ohne frische Schnittblumen aus Südamerika, exotische Früchtchen aus Israel und den Übernachtexpress an jeden Ort der Welt.
Dieser Vulkan auf Island mit dem unaussprechlichen Namen erteilt uns eine Lektion – und das ohne jedes Opfer: Der technische Triumph über Wind und Wetter und die größten Entfernungen ist ein empfindliches Konstrukt. Der Schein, weltweites Reisen lasse sich in Minutengenauigkeit pressen, trügt. Allen Anstrengungen zum Trotz ist die Natur immer noch die höhere Gewalt.
Auch wenn ich die Gestrandeten der vergangenen Tage alle bedaure: Der Blick in den ungetrübten Frühlingshimmel ist wertvoll. Er macht deutlich, dass nicht alles selbstverständlich ist, was sich alle gedankenlos zum Taxipreis leisten. Und vielleicht erinnern wir uns auch dann noch daran, welche Macht die Natur über uns hat, wenn in wenigen Tagen wieder das Gitternetz der Kondensstreifen am Himmel klebt.
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